Der Strafaufhebungsgrund der Verjährung
Im österreichischen Strafrechtssystem gibt es Strafaufhebungsgründe, durch welche die Strafbarkeit nach der Tat entfällt. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist die sogenannte „Verjährung“ bestimmter Straftaten, wodurch diese nach Ablauf einer festgelegten Frist nicht mehr verfolgt werden können. Das Konzept der Verjährung dient dazu, eine zeitliche Begrenzung für die Strafverfolgung einzuführen.
Die Verjährung ermöglicht es, dass alte Straftaten, die möglicherweise nicht sofort entdeckt wurden, nicht für immer als Bedrohung über dem Täter schweben und die Möglichkeit der Rehabilitation und Wiedereingliederung gewährt wird. Die Dauer der Verjährungsfrist kann je nach Schwere der Straftat variieren. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass schwere Verbrechen oft längere Verjährungsfristen haben oder in einigen Fällen überhaupt nicht verjähren. Nachfolgend werden die Strafaufhebungsgründe der Vollstreckungs- und Strafbarkeitsverjährung (Verfolgungsverjährung) näher erläutert.
Inhaltsverzeichnis
Die Arten der Verjährung
Wie bereits eingangs erläutert, gibt es im österreichischen Strafrecht die Strafbarkeitsverjährung (Verfolgungsverjährung) sowie die Vollstreckungsverjährung.
Die Strafbarkeits- oder Verfolgungsverjährung
Der Grundgedanke der Strafbarkeitsverjährung beruht auf dem Umstand, dass nach einer bestimmten Zeitspanne das Strafbedürfnis in Bezug auf eine begangene Straftat abnimmt. Durch das Verstreichen der Zeit können sich Umstände ändern und die gesellschaftliche Relevanz der Verfolgung kann abnehmen. Weiters soll jemand, der erfolgreich resozialisiert wurde, nicht aufgrund einer weit zurückliegenden Tat bestraft werden. Zudem können prozessuale Erschwernisse entstehen, wie beispielsweise der Verlust von Beweismitteln oder das Verschwimmen von Zeugenaussagen.
Die Verjährungsfrist stellt somit sicher, dass eine angemessene zeitliche Grenze für die Strafverfolgung existiert und ältere Fälle nicht unbegrenzt im Raum stehen bleiben.
In Österreich regelt § 57 des Strafgesetzbuches (StGB) die Verfolgungsverjährung von Straftaten. Gemäß § 57 StGB gibt es unterschiedliche Verjährungsfristen, die davon abhängen, mit welchem Strafausmaß die Handlung bedroht ist.
Bei Straftaten, die mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, ist eine Verjährung nicht möglich. Nach einem Zeitraum von 20 Jahren tritt jedoch an die Stelle der lebenslangen Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe von 10 bis 20 Jahren.
Ansonsten normiert das Gesetz folgende Verjährungsfristen:
- 20 Jahre bei Strafdrohungen von mehr als zehn Jahren,
- 10 Jahre bei Strafdrohungen von mindestens fünf und maximal zehn Jahren,
- 5 Jahre bei Strafdrohungen von mindestens einem und maximal fünf Jahren,
- 3 Jahre bei Strafdrohungen von mindestens sechs Monaten und maximal einem Jahr,
- Ein Jahr bei Strafdrohungen von maximal sechs Monaten oder Geldstrafen.
Wichtig zu erwähnen ist jedoch, dass bestimmte Zeiten nicht in die Verjährungsfrist einzurechnen sind (zB wenn die Verfolgung aufgrund von Immunität nicht eingeleitet werden kann). Weiters tritt eine Ablaufhemmung ein, wenn der Erfolg erst nach Abschluss der Handlung eintritt. Ansonsten normiert § 57 (2) StGB, dass die „Verjährungsfrist beginnt, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört“.
Beispiel: Am 04.05.2023 geraten Roland und Peter im Zuge eines Streitgesprächs über eine Geldschuld aneinander, wobei Roland dem Peter einen Faustschlag versetzt und den Straftatbestand der Körperverletzung nach § 83 (1) StGB verwirklicht. Die Verjährungsfrist beträgt somit 3 Jahre und endet am 04.05.2026.
Vollstreckungsverjährung
Diese betrifft den Vollzug einer strafgerichtlichen Maßnahme, wobei die Vollstreckbarkeit nach Ablauf einer gewissen Frist entfällt.
Die Frist beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung, mit welcher eine strafgerichtliche Sanktion verhängt wurde.
59 (1) StGB schreibt vor, dass die Vollstreckungsverjährung unter bestimmten Umständen nicht eintritt, zB bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder einer Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren.
Ansonsten gelten folgende Verjährungsfristen:
- 15 Jahre bei Freiheitsstrafen von mehr als einem und maximal zehn Jahren,
- 10 Jahre bei Freiheitsstrafen von mehr als drei Monaten und maximal einem Jahr; oder bei Geldstrafen, wenn die Ersatzfreiheitsstrafe maximal drei Monate beträgt.
- 5 Jahre in allen übrigen Fällen.
Noch Fragen zur Verjährung
Bei der Berechnung der Verjährungsfristen sind verschiedene Umstände zu berücksichtigen, die es recht komplex machen können. Zum Beispiel sind des Öfteren bestimmte Zeiten nicht in die Verjährungsfrist einzuberechnen. Da die Verjährungsfristen je nach Schwere der Straftat bzw der Strafdrohung variieren und es viele rechtliche Feinheiten zu beachten gibt, kann es für Laien schwierig sein, die korrekten Fristen zu ermitteln. Bei Unklarheiten ist es daher ratsam, sich mit einem Anwalt zu beraten.
FAQ
Die Verjährung im österreichischen Strafrecht bezeichnet den Strafaufhebungsgrund, durch den die Strafbarkeit einer begangenen Straftat nach einer bestimmten Frist erlischt. Es kann die Vollstreckungs- und die Verfolgungsverjährung unterschieden werden.
Die Verjährung dient dazu, eine zeitliche Begrenzung für die Strafverfolgung einzuführen. Sie ermöglicht, dass alte Straftaten, die möglicherweise nicht sofort entdeckt wurden, nicht für immer als Bedrohung über dem Täter schweben. Gleichzeitig gewährt sie die Möglichkeit der Rehabilitation und Wiedereingliederung.
Im österreichischen Strafrecht gibt es die Strafbarkeitsverjährung (Verfolgungsverjährung) und die Vollstreckungsverjährung.
Auf die verschiedenen Fristen der Verjährung wird in diesem Beitrag näher eingegangen.
Die Dauer der Verjährungsfristen hängt von der Strafdrohung des begangenen Delikts ab. Eine leichte Körperverletzung verjährt beispielsweise nach drei Jahren, eine schwere Körperverletzung erst nach fünf Jahren.
Quellen
Maleczky, Strafrecht Allgemeiner Teil II, 22. Auflage (2023)
Neumair, Strafrecht Allgemeiner Teil II, Orac-Rechtsskripten, 9. Auflage (2015)
Mag. Dr. Sebastian Siudak
Strafverteidiger
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