Die Diversion - eine Alternative zur Fortführung des Strafverfahrens
Die Diversion stellt in Österreich eine mögliche Alternative zu Anklage oder der Einstellung des Strafverfahrens dar. Sowohl Staatsanwalt als auch Richter haben die Möglichkeit – sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind – von der Strafverfolgung zurückzutreten bzw auf die Durchführung eines förmlichen Strafverfahrens zu verzichten. In diesem Beitrag haben wir die wichtigsten Punkte eines diversionellen Vorgehens im Strafverfahren für Sie zusammengefasst.
Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste auf einen Blick
- Sowohl Staatsanwalt als auch Richter können unter bestimmten Voraussetzungen von der Strafverfolgung absehen oder auf ein förmliches Strafverfahren verzichten. Ein besonderer Vorteil der Diversion ist, dass keine Strafregistereintragung erfolgt.
- Damit ein Strafverfahren im Rahmen einer Diversion erledigt werden kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Zum Beispiel muss der Sachverhalt hinreichend geklärt sein, sodass theoretisch eine Anklage erhoben werden könnte und den Beschuldigten darf keine schwere Schuld treffen. Die weiteren Voraussetzungen werden an späterer Stelle erläutert.
- Der Staatsanwalt kann aus folgenden Maßnahmen wählen: Zahlung eines Geldbetrages, gemeinnützige Leistungen, Durchführung einer Probezeit mit oder ohne Übernahme von Pflichten oder Tatausgleich.
- Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein diversionell erledigtes Verfahren fortgesetzt werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Beschuldigte seine Pflichten nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erfüllt.
Was ist eine Diversion?
Wie bereits erläutert, wird im Rahmen der Diversion von der weiteren strafrechtlichen Verfolgung abgesehen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Wichtig zu erwähnen ist hierbei jedoch, dass es sich nicht um eine Verfahrenseinstellung im Sinne der §§ 190, 191 StPO handelt. Vielmehr erhält der Beschuldigte ein Angebot, bei dessen Annahme keine Anklage erhoben wird oder im Hauptverfahren kein Schuldspruch erfolgt. Ein besonderer Vorteil der Diversion ist vor allem, dass keine Strafregistereintragung erfolgt. Darüber hinaus kann eine fehlende Diversion als Nichtigkeitsgrund nach § 281 Z 10a StPO geltend gemacht werden.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Damit ein Strafverfahren im Rahmen einer Diversion erledigt werden kann, müssen bestimmte Voraussetzungen vorliegen:
- Zum einen ist es erforderlich, dass der Sachverhalt hinreichend geklärt ist. Dies bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft theoretisch auch Anklage erheben könnte.
- Weiters darf die Strafdrohung maximal 5 Jahre Freiheitsstrafe betragen (Bei Sexualdelikten und Amtsmissbrauch gibt es Sonderbestimmungen). Das heißt, dass bei vielen Delikten gar nicht die Möglichkeit eines diversionellen Vorgehens besteht, wie bspw bei der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 StGB.
- Im Zuge des Delikts darf es nicht zum Tod eines Menschen gekommen sein.
- Den Beschuldigten darf keine schwere Schuld treffen, was bedeutet, dass diese nicht außerordentlich verwerflich sein darf.
- Dem diversionellen Vorgehen dürfen keine spezial- oder generalpräventiven Bestrafungserfordernisse entgegenstehen.
- Darüber hinaus muss der Beschuldigte seine Schuld einsehen und dafür Verantwortung übernehmen. Nach Ansicht des OGH muss der Umfang diese Verantwortungsübernahme nicht im Sinne eines umfassenden und reumütigen Geständnisses erfolgen. Gleichzeitig hält er fest, dass die Bereitschaft zum diversionellen Vorgehen die Verantwortungsübernahme indiziert (RS0130304).
Welche Arten der diversionellen Maßnahmen werden unterschieden und wie sieht der Ablauf aus?
Der Staatsanwalt kann zwischen den folgenden Maßnahmen wählen:
- Zahlung eines Geldbetrags bis zu 180 Tagessätzen,
- gemeinnützige Leistungen,
- Probezeit mit oder ohne Übernahme von Pflichten,
- Tatausgleich
Nachdem seitens der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts ein Diversionsvorschlag unterbreitet wurde, hat der Beschuldigte die Möglichkeit, diesen anzunehmen, er ist dazu jedoch nicht verpflichtet und kann auch die Fortsetzung des Verfahrens verlangen (Freiwilligkeitsgarantie).
Nimmt der Beschuldigte das Angebot jedoch an, wird das Verfahren für gewöhnlich vorläufig eingestellt. Sobald die aufgetragene Leistung (zB Zahlung eines Geldbetrags) erfüllt wurde, tritt der Staatsanwalt endgültig von der Verfolgung zurück.
Für Jugendliche und im Anwendungsbereich des Suchtmittelgesetzes gibt es speziellere Formen der Diversion.
Nachträgliche Fortsetzung des Verfahrens
Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein diversionell erledigtes Verfahren fortgesetzt werden. Diese Möglichkeit besteht etwa dann, wenn der Beschuldigte seine Pflichten gar nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erfüllt. Dasselbe gilt, wenn vor Ablauf der Probezeit wegen einer anderen Tathandlung ermittelt wird.
Hinweis zur Diversion
Die Vorteile eines diversionellen Vorgehens liegen auf der Hand und müssen nicht erneut hervorgehoben werden. Da aber strafrechtliche Sachverhalte häufig komplex sind, ist es für einen Laien zumeist schwierig zu beurteilen, ob ein Diversionsvorschlag angenommen werden sollte oder nicht. Da es für einen Beschuldigten in bestimmten Fällen auch günstiger sein kann, ein Diversionsangebot abzulehnen, sollten Sie sich in solch einer Situation stets mit einem Fachanwalt für Strafrecht beraten.
Quellen
Bertel/Venier/Tipold, Strafprozessrecht, 14. Auflage (2021)
Ehrbar, Diversion (05.7.2023, 360.lexisnexis.at)
Österreich.gv.at, Allgemeines zur Diversion (06.03.2023, oesterreich.gv.at)
Mag. Dr. Sebastian Siudak
Strafverteidiger
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