Das Erbrecht: ein unbeliebtes und gleichermaßen wichtiges Rechtsgebiet
Verständlicherweise beschäftigen sich die meisten Menschen nicht besonders gern mit dem eigenen Ableben und somit auch nicht mit dem Erbrecht. Deswegen steht die Frage, was mit dem Nachlass zu geschehen hat, ganz hinten oder vielleicht auch gar nicht auf der To-do-Liste der meisten Österreicher.
Es ist jedoch empfehlenswert, sich frühzeitig Gedanken über die Rechtsnachfolge zu machen, da der Tod eines Menschen eine Vielzahl von Fragen aufwerfen kann. Wer wird das Vermögen erben? Gibt es Pflichtteilsansprüche zu beachten? Kann ein Erblasser im Rahmen eines Testaments alles so regeln, wie er es möchte? Gibt es rechtliche Schranken oder Formvorschriften? Was passiert, wenn kein Testament besteht? Diese Fragen können im Falle eines ungeklärten Erbrechts zu Unsicherheiten, Konflikten und unerwarteten finanziellen Belastungen führen. Eine sorgfältige Planung und gegebenenfalls die Erstellung eines Testaments können dazu beitragen, diese Fragen im Voraus zu klären und sicherzustellen, dass der letzte Wille des Verstorbenen respektiert wird.
Wie aus dem Titel ersichtlich, soll dieser Beitrag einen allgemeinen und leichtverständlichen Überblick über das Erbrecht verschaffen, wobei diese Grundlagen in Folgeartikeln vertieft und näher erläutert werden.
Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste auf einen Blick
- Das Erbrecht regelt die Rechtsnachfolge einer verstorbenen Person und bestimmt, wer das Vermögen erben darf.
- Der Nachlass umfasst alle vererblichen Rechte und Pflichten einer verstorbenen Person.
- Die gewillkürte Erbfolge ermöglicht es einer Person, ihren Nachlass durch Testament oder sonstiger letztwilliger Verfügung nach ihren Wünschen zu verteilen.
- Die Testierfreiheit unterliegt jedoch bestimmten Formvorschriften und Schranken.
- Die gesetzliche Erbfolge kommt zur Anwendung, wenn keine testamentarische Regelung vorliegt oder diese ungültig ist.
- In der gesetzlichen Erbfolge werden Erben in vier Parentelen eingeteilt, beginnend mit direkten Nachkommen und endend mit Urgroßeltern.
Generelles zum Erbrecht
Grundsätzlich regelt das Erbrecht die Rechtsnachfolge einer verstorbenen Person. Dies bedeutet, es klärt die Frage, was mit dem Vermögen einer Person nach ihrem Ableben geschieht, also wer das gesamte Vermögen oder einen Teil davon für sich beanspruchen darf. Das, was der Verstorbene hinterlässt, also alle Rechte und Pflichten, werden als Nachlass oder Verlassenschaft bezeichnet.
Beispiel: Der verstorbene Peter hat im Laufe seines Lebens verschiedene Vermögenswerte angesammelt: ein Sparbuch mit einem Guthaben von EUR 17.500,00, ein Girokonto mit EUR 2.734,00 einen antiken Kleiderschrank sowie eine wertvolle Armbanduhr. Vor seinem Tod lebte er in einer Eigentumswohnung, für welche er zum Erwerb einen Kredit aufnehmen musste. Von der Kreditsumme sind noch EUR 4.873,00 offen. Die Gesamtheit dieser Aktiva und Passiva bildet den Nachlass.
Berufung zum Erben: letztwillige Verfügung oder gesetzliche Erbfolge
Das Erbrecht zeichnet sich durch die sogenannte Gesamtrechtsnachfolge oder Universalsukzession aus. Das bedeutet, der Erbe tritt in alle vererblichen Rechte und Pflichten des Verstorbenen ein. Sofern mehrere Erben vorliegen, bilden diese eine Erbengemeinschaft. Kommt hingegen nur eine Person als Erbe in Frage, handelt es sich um einen Alleinerben.
Die Frage, wer als Erbe in Betracht kommt und somit Anspruch auf die Erbschaft hat, wird im Verlassenschaftsverfahren geregelt.
„Das Testament ist der uneigennützigste Akt des Lebens: man vergißt dabei ganz sich selbst.“
– Emanuel Wertheimer, deutsch-österreichischer Philosoph und Aphoristiker ungarischer Herkunft
Gewillkürte Erbfolge
In Österreich steht es grundsätzlich jedem frei, selbst zu bestimmen, wie sein Nachlass verteilt wird. Dies entspringt dem Grundsatz der Testierfreiheit und erfolgt zumeist in Form eines Testaments. Denkbar ist außerdem der in der Praxis selten vorkommende Erbvertrag. Soll eine Person nicht zum Erbe werden, jedoch bestimmte Vermögensgegenstände erhalten, ist dies in Form eines Vermächtnisses möglich. Weiters kann auch eine Schenkung auf den Todesfall erfolgen.
Im Rahmen eines Testaments legt der Erblasser zu Lebzeiten bereits selbst fest, was mit seinem Nachlass zu geschehen hat. Er kann festlegen, wie viele Erben er hat und zu welchen Teilen diese begünstigt werden. Darüber hinaus kann das Testament jederzeit widerrufen bzw durch ein neues ersetzt werden.
Wichtig zu erwähnen ist hierbei, dass eine letztwillige Verfügung, wie ein Testament, nur dann gültig ist, wenn bestimmte Formvorschriften eingehalten werden. Darüber hinaus gibt es auch Schranken der Testierfreiheit. So kann bspw ein Ausschluss von Pflichtteilsberechtigten nicht ohne Weiteres erfolgen; dies wird durch das Pflichtteilsrecht abgesichert.
Gesetzliche Erbfolge
Die gesetzliche Erbfolge wird dann relevant, wenn der Erblasser die Möglichkeiten im Rahmen der gewillkürten Erbfolge (zB durch ein Testament) gar nicht oder nicht gültig (zB Nichteinhaltung der Formvorschriften) genutzt hat. Weiters kommt die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung, wenn die eingesetzten Erben nicht zur Erbschaft gelangen oder der Erblasser nur über einen Teil der Verlassenschaft verfügt hat.
Im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge wird auf den hypothetischen Willen des Verstorbenen abgestellt und es erfolgt eine Einteilung in vier sogenannte Parentelen, wobei eine nachfolgende Gruppe immer nur dann zum Zug kommt, wenn in der vorderen Gruppe niemand vorhanden ist:
- 1. Parentel: besteht aus Kindern und Kindeskindern, also direkten Nachkommen
- 2. Parentel: Eltern des Verstorbenen und deren Nachkommen (Geschwister, Neffen und Nichten)
- 3. Parentel: hierunter fallen Großelternpaare und deren Nachkommen (Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen)
- 4. Parentel: Urgroßeltern, jedoch nicht deren Nachkommen
Noch Fragen zum Erbrecht?
Da das Erbrecht von großer Bedeutung ist und eine komplexe rechtliche Materie darstellt, ist es ratsam, sich bei weiteren Fragen oder Unklarheiten an einen spezialisierten Anwalt für Erbrecht oder einen Notar zu wenden. Diese können individuelle Beratung bieten, den Prozess der Nachlassplanung erleichtern und sicherstellen, dass alle rechtlichen Aspekte ordnungsgemäß behandelt werden.
Dies gewährleistet nicht nur die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen, sondern trägt auch dazu bei, potenzielle Konflikte innerhalb der Familie zu vermeiden und den Übergang von Vermögenswerten reibungslos zu gestalten.
Quellen
Nemeth, Gesetzliche Erbfolge (360.lexisnexis.at, 12.5.2023)
Nemeth, Letztwillige Verfügung (360.lexisnexis.at, 12.7.2019)
Perner/Spitzer/Kodek, Bürgerliches Recht, 7. Auflage (2022)
Mag. Kaspar Strolz
Rechtsanwaltskanzlei Strolz
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